Dienstag, 21. Februar 2017

Präsident Trumps "Wirtschaftsexperten"

Peter Navarro und Wilbur Ross waren die federführenden wirtschaftspolitischen Berater in Donald Trumps Wahlkampf und haben zusammen das wirtschaftspolitische Programm von Präsidentschaftskandidat Trump geschrieben. Peter Navarro, Wirtschaftsprofessor an der Business School in Irvine, Kalifornien, ist der „Direktor für Handel und Industriepolitik“ und Leiter eines neuen von Präsident Trump geschaffenen „Nationalen Handelsrats“ der USA. Wilbur Ross ist Billionär und Privatinvestor (genannt "Bankrottkönig"). Dass letzterer, als Praktiker, nicht besonders viel Ahnung von theoretischen Grundlagen der Volkswirtschaftslehre hat, ist nicht weiter erstaunlich und sollte auch nicht übel genommen werden. Bemerkenswert aber ist, dass Professor Navarro in dieser Hinsicht offenbar ebenfalls völlig unterbelichtet ist, trotz (wenn man seiner Webseite Glauben schenken will) Harvard-Promotion.

Ich greife aus dem Programm das Thema des Protektionismusvorwurfes gegenüber der Welthandelsorganisation heraus, das besonders ausgiebig behandelt wird aber auf einem einfachen Fehler beruht. Das zieht die Qualifikation dieser "Experten" stark in Zweifel. (Das Programm enthält, wie Matthew Iglesias zu recht bemerkt, auch weitere bemerkenswert dumme (remarkably silly) Fehler.)

Die beiden Experten finden, dass das Einkommenssteuersystem der Vereinigten Staaten durch die Regeln der Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organization) gegenüber der Behandlung der Mehrwertsteuersystemen in anderen Ländern benachteiligt wird. Deshalb soll "die ungleiche Behandlung der Mehrwertsteuer unter den Regeln der WTO beendet werden". Sie schreiben:
Hier der Kern des Problems der Ungleichbehandlung: Während die USA sich hauptsächlich auf die Einkommenssteuer stützt, nutzen alle wichtigen Handelspartner  Amerikas die Mehrwertsteuer. Die gegenwärtigen Regeln öffnen diesen Handelspartnern eine Hintertür, um mittels verdeckter Zölle die amerikanischen Exporte zu blockieren und mittels verdeckter Subventionen in die US-Märkte einzudringen. Diese Ausbeutung funktioniert so: ...

Unter den Regeln der Welthandelsorganisation bekommt jeder Hersteller, der Güter in die USA exportiert, die Mehrwertsteuer, die er gezahlt hat, zurückerstattet. Dies macht die Mehrwertsteuer zu einer impliziten Exportsubvention.
Zugleich wird die Mehrwertsteuer auf alle Güter erhoben, die ...  aus den USA in ein Mehrwertsteuerland exportiert werden. Dies macht die Mehrwertsteuer zu einer impliziten Steuer, die die US-Exporteure zusätzlich zur Körperschaftssteuer zahlen müssen.

Also: unter dem WTO-System steht Amerika unter einem dreifachen Fluch: Ausländische Exporte in die USA sind von der Mehrwertsteuer befreit, US-Exporte in Auslandsmärkte werden mit der Mehrwertsteuer belegt, und US-Exporteure bekommen keine Erstattung der gezahlten Einkommenssteuer.

Der tatsächliche Effekt der ungleichen Behandlung der amerikanischen Einkommenssteuer gibt underen hauptsächlichen Handelspartnern einen unfairen Steuervorteil von 15% bis 25% bei internationalen Geschäften. ...

Die Mehrwertsteuerregeln der Welthandelsorganisation liefern ein Musterbeispiel für schlecht verhandelte Handelsabkommen der Vereinigten Staaten. Die Ungleichbehandlung der US-Exporte zeigt, wie die Handelsbeauftragten der USA häufig die Konsequenzen schlecht ausgehandelter Verträge für die Amerikaner, für die sie ja verhandeln, nicht verstehen.
Das ist zwar alles kompletter Unsinn, macht aber verständlich, warum Donald Trump Handelsabkommen so skeptisch gegenübersteht.

Navarro und Ross halten es mithin für richtig, wenn die Exporte aus Deutschland in die USA mit der deutschen Mehrwertsteuer belastet würden und Importe aus den USA in Deutschland von der Mehrwertsteuer befreit würden. Zudem sollten die amerikanischen Exporteure für Ihre Exporte Einkommenssteuerrückerstattungen erhalten.

Bei der Mehrwertsteuer handelt es sich aber um eine Verbrauchssteuer, die beim Endverbraucher erhoben wird. Exporte aus Deutschland nach Frankreich unterliegen nicht der Mehrwertsteuer in Deutschland; die Exporteure bekommen bereits entrichtete Mehrwertsteueranteile zurück. Im Gegenzug wird in Frankreich die französische Mehrwertsteuer fällig. Gleiches gilt für die USA, nur wird dort die dortige lokale Umsatzsteuer (sales tax) erhoben, die bei Exporten ebenfalls nicht fällig wird.

Die Begründung für diese (vernünftige) Behandlung der Mehrwertsteuer ist, dass auf die angegebene Weise die Preisrelationen zwischen verschiedenen Gütern nicht verzerrt werden sondern den Herstellungskostenverhältnissen entsprechen und dass kein Anreiz besteht, durch Manipulation der inländischen Steuersätze Importhemmnisse aufzubauen und Exporthemmnisse zu reduzieren. Bei unterschiedlicher Besteuerung je nach Herkunftsland, etwa wenn die deutschen Produkte in Frankreich mit der deutschen Mehrwertsteuer und die französischen Produkte in Deutschland mit der französischen Mehrwertsteuer verkauft würden, wäre das nicht der Fall. Das gilt auch für Länder wie die USA mit einem Mehrwertsteuersatz von Null Prozent. Es ist nicht sinnvoll, unterschiedliche Mehrwertsteuersätze zu mischen, wie Navarro und Ross vorschlagen  Ein solches Vorgehen würde zu massiven Verzerrungen im Preisgefüge führen, entsprechende Ineffizienzen nach sich ziehen und Fehlanreize für die Besteuerung schaffen. (Das findet man auch hier erklärt.)



Übrigens: das ist kein Ausrutscher von Professor Navarro in einem Papier, das zu Wahlkampfzwecken verfasst wurde. Navarro bezeichnet z.B. in seinem Beitrag mit akademischem Anspruch "Deconstructing the China Price" den "Mehrwertsteuernachlass auf die meisten [chinesischen] Exporte" als "Exportsubvention".

Die Ernennung von zwielichtigen Wirtschaftsberatern durch amerikanische Präsidenten ist übrigens kein Einzelfall. Ronald Reagan hatte seinerzeit Arthur Laffer  um die Steuersenkungen, die (entgegen Laffers Prognose) zu massiven Staatsdefiziten geführt hatten, zu rechtfertigen. Das hat dann zu hoher Inflation und extrem hohen Zinsen geführt und die amerikanische verarbeitende Industrie ruiniert, die jetzt von Trump wieder durch Protektionismus auf die Beine gebracht werden soll.