Dienstag, 9. Juni 2015

Der Haustarifvertrag bei der Post

Das Handelsblatt schreibt zum Poststreik:
Entzündet hatte sich der Konflikt an der Ankündigung des Bonner Konzerns, Tausende neue Stellen zu schaffen – allerdings in 49 neuen Gesellschaften, für die niedrigere Löhne als im Konzern gelten. Die neuen Firmen orientieren sich an den Tarifverträgen der Logistik-Branche. Verdi will die Post mit dem unbefristeten Streik zwingen, dass auch bei den Tochterunternehmen der höhere Haustarif gezahlt wird.
In Deutschland haben wir üblicherweise Flächentarifverträge -- also Tarifverträge, die für alle Beschäftigten in einer Branche in einem Tarifgebiet gelten. Die Post macht hier eine Ausnahme: Sie hat einen Haustarifvertrag, der nur für die Beschäftigten der Post gilt.

Derartige Haustarifverträge sind volkswirtschaftlich problematisch, weil sie typischerweise wesentlich andere -- wesentlich günstigere -- Entgeltregelungen  bieten als die entsprechenden Flächentarifverträge. Das verletzt das Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" und führt zu volkswirtschaftlich ineffizienter Lohnbildung. Ich habe das hier für die Billiglohnkonkurrenz erklärt, die Überlegung gilt aber auch umgekehrt: Wenn die Post höhere Personalkosten als ihre Mitbewerber hat, aber ansonsten über eine überlegene Technologie und Organisation verfügt, kann sie vom Markt verdrängt werden und die Mitbewerber, die höhere volkswirtschaftliche Kosten verursachen (gleiches Personal, teurere Technik und Organisation) können sich im Markt halten. Um das zu vermeiden, sollte für alle Konkurrenten der gleiche Tarifvertrag gelten. Der Haustarif der Post sollte mithin abgeschafft werden und  die Post sollte zu dem (ebenfalls von Verdi ausgehandelten) Tarif bezahlt werden, der für alle anderen Mitbewerber ebenfalls gilt.

Das System der Flächentarifverträge ist sowohl unter Effizienz- als auch unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten sinnvoll. Ich verstehe nicht, warum die Gewerkschaften, die das immer wieder zu Recht betonen, im Einzelfall, wie hier bei der Post oder auch bei Volkswagen, dennoch das ungerechte System der Haustarifverträge verteidigen, sogar mit Streik. Das gefährdet das System der Flächentarifverträge ebenso wie wenn die Fluglotsen, die Lokführer oder die Krankenhausärzte versuchen, aus diesem System auszubrechen. Ein solches Verhalten ist verantwortungslos und schadet der Allgemeinheit.

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