Freitag, 30. November 2012

Vickrey zum Dritten: Kreditfinanzierte Staatsausgaben induzieren private Investitionen


Oft hört man die These, dass staatliche Ausgaben private Investitionen verdrängen. Diese These trifft dann zu, wenn die volkswirtschaftliche Produktion und Beschäftigung unverändert bleibt. In einer Unterbeschäftigungssituation ist jedoch das Gegenteil der Fall. Dann führen zusätzliche kreditfinanzierte Staatsausgaben zu einer Erhöhung der Produktion, der Einkommen und der privaten Investition. Vickrey erklärt das so:
Die staatliche Kreditaufnahme "verdrängt" angeblich private Investitionen

Im gegenwärtigen Zustand der Wirtschaft schaffen kreditfinanzierte Staatsausgaben (anders als steuerfinanzierte Staatsausgaben) jedoch zusätzlich verfügbares Einkommen. Die Nachfrage nach Erzeugnissen der Privatwirtschaft wird erhöht und die Renditeerwartungen privater Investitionen verbessern sich.

So lange viele ungenutzte Kapazitäten zur Verfügung stehen und sich die Geldpolitik vernünftig verhält (anstatt sich den vermeindlich inflationären Wirkungen des Staatsdefizits entgegenzustellen), können profitable Investitionsprojekte finanziert werden. Unter diesen Umständen kann jeder Dollar zusätzlichen Defizits mittel- und langfristig zwei oder mehr Dollar zusätzliche private Investition induzieren. Das Kapital, das dabei geschaffen wird, bedeutet für irgend jemanden einen Vermögenszuwachs und ipso facto zusätzliche private Ersparnis. Die These, dass das Angebot seine eigene Nachfrage schafft, trifft nicht zu, wenn ein Teil des Einkommens, das durch das Angebot hervorgerufen wird, gespart wird. Investitionen dagegen erzeugen selbst die Ersparnis zu ihrer Finanzierung. Irgendeine Verdrängung privater Investitionen durch defizitfinanzierte Staatsausgaben wäre nicht das Ergebnis ökonomischer Notwendigkeit sondern die Konsequenz unangebrachter restriktiver  Reaktionen der Geldpolitik auf das staatliche Defizit.
Möglicherweise ist diese Erklärung, die an sich richtig und stimmig ist, für manche Leser dieses Blogs nicht leicht nachvollziehbar. Deshalb hier noch ein weiterer Erklärungsversuch des angesprochenen Sachverhalts:

Wenn der Staat zusätzlich kreditfinanzierte Ausgaben tätigt (z.B. Sozialleistungen erhöht oder Infrastrukturverbesserungen durchführt)  entstehen zusätzliche Einkommen. Diese erzeugen zusätzliche Nachfrage die befriedigt werden kann, da ja unausgelastete Kapazitäten zur Verfügung stehen, die zur Produktion der zusätzlich nachgefragten Güter und Diensten genutzt werden können. Wenn auf diese Weise der Auslastungsgrad der Kapazitäten steigt, besteht ein Anreiz, Kapazitäten und Produktionsanlagen zu erhalten und auszubauen, die ohne die zusätzliche Nachfrage ungenutzt geblieben und nicht erhalten worden wären. Es werden also mindestens Erhaltungsinvestitionen induziert, die sonst unterblieben wären, aber auch Modernisierungsinvestitionen. Die zusätzliche Investitionsnachfrage führt dann ihrerseits zu zusätzlicher Nachfrage und verstärkt diesen Prozeß. Insgesamt kommt so eine Erhöhung der privaten Investitionen zustande, also keine Verminderung oder "Verdrängung" wie so oft gesagt wird.


William Vickrey (1996) Fifteen Fatal Fallacies of Financial Fundamentalism A Disquisition on Demand Side Economics.  October 5, 1996 .

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