Sonntag, 22. Juli 2012

Die missverstandene Ricardianische Äquivalenz (5): Man sollte es nicht glauben

Nun haben wir es also quasi offiziell:

"Ricardianische Erwartungen schließen aus, dass die Haushalte ihre Konsumentscheidungen am verfügbaren Einkommen orientieren, welches Zinseinkünfte aus dem Besitz von Staatspapieren einschließt."

Das ist völlig zutreffend: Die Gültigkeit der Ricardianisachen Äquivalenzthese erfordert, dass die Haushalte Zinseinkünfte aus Staatspapieren nicht nutzen dürfen. Eine solche Annahme ist natürlich völlig unsinnig, und zwar aus mindestens drei Gründen:
  1. Niemand würde dem Staat Geld leihen, wenn er die Zinsen nicht nutzen könnte
  2. Es ist wohl unmöglich für einen Haushalt zu wissen ob die Verzinsung seiner Spareinlagen bei der Sparkasse daraus resultiert, dass die Sparkasse mit den Spareinlagen Staatsschuldpapiere gekauft hat oder ob sie andere Wertpapiere erworben hat und dann aus den jeweiligen Zinsen die Verzinsung der Spareinlagen bestreitet. Wenn die Zinsen für die Spareinlagen aus Staatspapieren herrühren, dürften die Haushalte diese Einkünfte nicht nutzen, im anderen Falle schon. Ansonsten wäre die Ricardianische Äquivalenz zerstört.
  3. Es besteht aus der Sicht eines privaten Haushalts kein theoretischer Grund und auch keine empirische Evidenz dafür, die zwei Sorten von Zinseinkünften unterschiedlich zu behandeln, selbst wenn man sie unterscheiden könnte.
Fazit: Die Ricardianische Äquivalenzthese ist falsch.

Anmerkung: Mein Artikel ist von der Zeitschrift Economics E-Journal abgelehnt worden. Das obige Zitat ist dem Ablehnungsschreiben entnommen. Die Feststellung ist korrekt und entspricht dem, was ich in dem Beitrag festgestellt habe. Meine Ergebnisse wurden jedenfalls völlig bestätigt. Der Beitrag wurde dann aber letztlich abgelehnt, weil er der Mehrheitsmeinung der Ökonomen nicht entspricht! Wer das nicht glaubt und wen das interessiert der kann das alles ja hier nachlesen.

Nachtrag (7.4.2013): Der Artikel wird in erweiterter Form in der Zeitschrift Metroeconomica erscheinen.  Eine Vorab-Version findet sich hier.

Nachtrag (21.11.2013) Tatsächlich war meine Argumentation fehlerhaft. Ich bin einem Fehler in  einer von Barros Arbeiten aufgesessen. The Ricardianische Äquivalenzthese ist tatsächlich zutreffend. Ich habe ein entsprechendes Erratum geschrieben in dem ich meinen Fehler klarstelle. Diese Notiz wird demnächst in Metroeconomica erscheinen. Ich bitte bei den Lesern dieses Blogs ebenso wir bei den beteiligten Herausgebern und Gutachtern um Entschuldigung und werde meinen Irrtum demnächst in einem Blog nochmals klarstellen..

Samstag, 7. Juli 2012

Ein Gegenaufruf

Zum Aufruf von Ökonomen gegen die Euro-Rettung gibt es jetzt einen Gegenaufruf,  in dem sehr sachlich und ökonomisch fundiert die Gründe dargelegt werden, warum die Gipfelbeschlüsse sinnvoll sind. Das Hauptargument ist, dass eine europäische Bankenaufsicht das Schicksal der einzelnen Banken von der Zahlungsfähigkeit oder -Unfähigkeit des jeweiligen Heimatstaates entkoppelt und so Bankenkrisen weniger wahrscheinlich macht.

Bankenkrisen sind realwirtschaftlich extrem kostspielig. Die Schuldenkrisen in den verschiedenen Ländern sind durch die Bankenkrise von 2008 wesentlich mitverursacht worden. Der Gegenaufruf artikuliert eine sinnvolle Position. Kein Wunder daß die meisten der führenden deutschen Geldtheoretiker zu den Erstunterzeichnern gehören..

Nachtrag: Hier und hier sind noch einmal die Aufrufe mitsamt Unterzeichnern. Mindestens ein Ökonom hat bei beiden Aufrufen unterzeichnet!

Freitag, 6. Juli 2012

Zum Aufruf von Ökonomen gegen Euro-Rettung

Kürzlich ist ein Aufruf von Ökonomen publiziert und in in verschiedenen Zeitungen (Handeslblatt, Welt, FAZ)  kommentiert worden, der sich gegen die jüngsten EU-Beschlüsse zur Eurorettung richtet. Mich, als Ökonom, hat überrascht, dass ausschliesslich  juristisch argumentiert wird -- wer soll in Haftung genommen werden, wem kann was zugemutet werden, etc. Letzten Endes handelt es sich um Gerechtigkeitsargumente und politische Erwägungen über Völkerfreundschaft und ähnliches. Das ist alles gut und schön.  Ich würde aber bei solch einem Aufruf erwarten, daß auf die realwirtschaftlichen Konsequenzen verschiedener Politikvarianten abgestellt wird und dass diese zumindest angedeutet werden.  Also: was wären die realwirtschaftlichen Konsequenzen von Bankenzusammenbrüchen? Was wären die Konsequenzen einer kollektiven Haftung für die Bankschulden? Was wäre die für Europa bessere Alternative? (Dabei geht es natürlich nicht um das Schicksal der einzelnen Banken, sondern um die volkswirtschaftlichen Konsequenzen.) In dem Aufruf ist davon nicht die Rede.  Ich selbst überschaue das nicht, es ist auch nicht mein Spezialgebiet. Aber so wie der Aufruf formuliert ist sehe ich kein spezifisch wissenschaftliches Argument, das besondere Fachkompetenz voraussetzen würde. Ich halte es aber generell für problematisch, sich auf Fachkompetenz oder Titel zu berufen, wenn diese Qualifikationen für ein Argument überhaupt keine Rolle spielen. Das ist hier der Fall.

Übrigens ist ja die Bankenkrise eher ein Symptom für tieferliegende Disparitäten die so oder so auf der Ebene des Geldwesens und der Fiskalpolitik nicht behoben werden; siehe dazu meinen früheren Blog-Eintrag.

Wenn ich diesen Aufruf nicht unterschrieben habe, so sollte das aber nicht als Ausdruck von Solidarität mit Frau Merkel gedeutet werden. Im Gegenteil: Ich distanziere mich ausdrücklich von deren Austerity-Politik weil ich denke, dass diese Politik die Schuldenproblematik unnötig verschärft.

Nachtrag: Interessant sind auch die Äußerungen von Gustav Horn in Die Zeit.
Nachtrag: Der Beitrag in der Zeit vurde von Mark Schieritz geschrieben, nicht von Gustav Horn. Sorry.

Donnerstag, 5. Juli 2012

Die missverstandene Ricardianische Äquivalenz (4): Die These ist falsch

Beim Verfassen meine Blog-Einträge zur Ricardianischen Äquivalenz, beginnend mit  diesem, ist mir aufgefallen, dass die  normalerweise vorgebrachte Argumentation problematisch ist. Ich habe mir daraufhin ein einfaches Beispiel überlegt, in dem die These klar unzutreffend ist. Ich habe dazu einen kleinen Aufsatz geschrieben und im Februar bei einer wissenschaftlichen Zeitschrift eingereicht. Man kann das hier einsehen.

In diesem Blog habe ich zu diesem Thema eine Sendepause eingelegt um den Begutachtunmgsprozess Zeit zu lassen. Da passiert aber nichts. Die (m.E. sehr kompetenten) Gutachter haben keinen Fehler in meiner Argumentation gefunden, bleiben aber weiterhin von der theoretischen (wenn auch nicht praktischen) Gültigkeit der Äquivalenzthese überzeugt. Der zuständige Herausgeber hat sich noch nicht geäussert. Deshalb nehme ich mir nun doch die Freiheit, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die Herleitung von Barro einen elementaren Fehler enthält: Die Zinszahlungen auf Staatsschulden, die die Privaten erhalten, werden  bei deren verfügbaren Einkommen nicht berücksichtigt. Tut man dies, und das entspricht den Standarddefinitionen und ist sinnvoll, so ist die Äquivalenzthese direkt verletzt. Dagegen ist es nicht sinnvoll anzunehmen, dass die Privaten Staatspapiere kaufen und die Verzinsung dieser Papiere nicht als Einkommen rechnen, wie Barro dies implizit unterstellt. Der Fehler ist nur durch die eigenwillige Darstellung nicht recht transparent und ist deshalb wohl so lange -- nahezu vierzig Jahre -- nicht gesehen worden. Es ist fast ein Witz: Die theoretische Grundlage für Austerity ist fehlerhaft.

Nachtrag (24.11.2013) Tatsächlich war meine Argumentation bezüglich der Ricardianischen Äquivalenzthese fehlerhaft. Ich bin einem Fehler in  einer von Barros Arbeiten aufgesessen. The Ricardianische Äquivalenzthese ist tatsächlich zutreffend. Ich habe ein entsprechendes Erratum geschrieben in dem ich meinen Fehler klarstelle. Diese Notiz wird demnächst in Metroeconomica erscheinen. Ich bitte bei den Lesern dieses Blogs ebenso wir bei den beteiligten Herausgebern und Gutachtern um Entschuldigung und werde meinen Irrtum demnächst in einem Blog nochmals klarstellen..