Sonntag, 18. Dezember 2011

Die Schuldenbremse schützt nicht vor Inflation

Die Problematik einer Schuldenbremse lässt sich vielleicht auch deutlich machen, wenn man sich eine andere konjunkturelle Situation als die gegenwärtige vor Augen führt.

Wenn die Sparneigung der Haushalte sehr gering ist und mithin fast alles verfügbare Einkommen zu Konsumzwecken ausgegeben wird, bleibt nicht hinreichend viel für die Investition. Wenn der Staatshaushalt ausgeglichen ist und die Unternehmungen investieren wollen, um ihre Produktionskapazitäten zu erhalten und zu modernisieren, wird mehr nachgefragt als produziert werden kann. Das führt zu Übernachfrage nach Gütern und Arbeitskräften, und damit zu Lohn-und Preissteigerungen, zu Inflation.

Erforderlich wäre in einer solchen Lage, dass der Staat Überschüsse macht, also staatliche Ersparnis bildet, indem er die Steuern erhöht, aber die zusätzlichen Einnahmen nicht ausgibt. Man sagt dann im Fachjargon, dass die Investitionen durch staatliche Ersparnis finanziert werden. Ein ausgeglichener Staatshaushalt wäre in einer solchen Situation inflationär. In einer Situation zu hoher Nachfrage wäre ein Überschussverbot das Analogon zu dem, was eine Schuldenbremse bei Nachfragemangel ist -- beides gleichermaßen unsinnig.

Gegenwärtig haben wir in Europa nun keinen Nachfrageüberhang, sondern einen Nachfragemangel. Das erfordert Steuersenkungen oder erhöhte Sozialtransfers, die mit Defiziten verbunden sind, oder aber expansiv wirkende öffentliche Investitionen, die ebenfalls zu Haushaltsdefiziten führen. Die Schuldenbremse macht all dies unmöglich und erzwingt Stagnation

Mithin: Rationale Finanzpolitik sollte sich nach den jeweiligen wirtschaftlichen Erfordernissen richten, die von Fall zu Fall verschieden sein können, und nicht nach willkürlichen Regeln, die auf fragwürdigen Argumenten beruhen (und dann noch in die Verfassung geschrieben werden!).

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen