Montag, 14. November 2011

Die Idee der funktionalen staatlichen Finanzpolitik

Der Ausgangspunkt einer rationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik ist von Abba Lerner 1943 wie folgt formuliert worden:
Der Grundsatz ist, dass die staatliche Finanzpolitik -- die Staatsausgaben, die Bestreuerung, die Neuverschuldung und die Tilgung von Staatsschulden, die Geldschöpfung und der Entzug von Geld aus dem Wirtschaftskreislauf -- dass all dies allein in Hinblick auf das Ergebnis dieser Maßnahmen beurteilt wird und nicht danach, ob irgendwelchen traditionellen Vorstellungen über gesunde oder ungesunde Finanzpolitik entsprochen wird.
Die öffentliche Diskussion über Besteuerung sollte diesen Gedanken besser berücksichtigen. Es bleibt oft unerwähnt, dass die Wirtschaftswissenschaft nur wenig zur Frage beigetragen hat, welche Staatsverschuldung (oder welcher dauerhafte Überschuss bei den Staatsfinanzen) anzustreben ist.

Die Idee, daß der Staatshaushalt langfristig ausgeglichen sein sollte, entbehrt jeder wissenschaftlichen Begründung. In wirtschaftswissenschaftlichen Modellen wird lediglich oft die Annahme gemacht, dass Vollauslastung aller Ressourcen bei ausgeglichenem Staatshaushalt möglich sei. Tatsächlich kann aber ein ausgeglichener Staatshaushalt eine Vollauslastung der Ressourcen, und damit Vollbeschäftigung unmöglich machen, oder unter Umständen, die dauerhafte Budgetüberschüsse erfordern, zu akzelerierender Inflation führen.

Aber selbst unter der Annahme, daß die Vollbeschäftigung aller Ressourcen bei Preisstabilität erreicht ist, ist die Forderung nach einem ausgeglichenen Staatshaushalt, wie sie nunmehr sogar grundgesetzlich geboten ist, wirtschaftlich unvernünftig.

In  Artikel 115 Absatz 1 Satz 2 des Grund­gesetzes alter Fassung hieß es
Die Einnahmen aus Krediten dürfen die Summe der im Haushalts­plan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten; Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamt­wirtschaft­lichen Gleich­gewichts.
Das ist insofern eine sinnvolle Regelung, als sie die Kosten für Investitionen über den Zeitraum verteil, in dem die Investitionen genutzt werden.

Nunmehr heißt es statt dessen:
Einnahmen und Ausgaben sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Diesem Grundsatz ist entsprochen, wenn die Einnahmen aus Krediten 0,35 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt nicht überschreiten.
Soetwas meinte Lerner mit "traditionellen Vorstellungen über gesunde oder ungesunde Finanzpolitik". Hier erhält ein unbegründetes Vorurteil, oder meinetwegen eine unnbegrüpndete Theorie, Verfassungsrang! Diese Regelung entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage und resultiert allein aus einem Mißtrauen gegenüber den verantwortlichen Politikern, oder sogar der Überzeugung, daß Politiker immer falsch entscheiden -- eine sonderbare Haltung in einer Demokratie. Aber natürlich entscheiden die Politiker manchmal falsch, z.B. wenn sie die Schuldenbremse ins Grundgesetz schreiben.

3 Kommentare:

  1. Nach meinem Verständnis ist die die wesentliche Aussage des Functional Finance , dass die Aktivitäten der Wirtschaftspolitik an den Auswirkungen der Wirtschaftsaktivitäten bemessen werden soll. Dies umfasst die Haushaltsausgaben, Neuverschuldungen und die Steuereinnahmen. Die Höhe der Haushaltsausgaben und der Steuereinnahmen, sollen an die aggregierten Ausgaben in einer Volkswirtschaft ausgerichtet werden, damit letztendlich das Vollbeschäftigungsziel erreicht werden kann (Vollbeschäftigungsziel). Dann gibt es ja die drei Kernaussagen von Lerner, die ich hoffentlich richtig verstanden hab.

    Meine Neugier sind eigentlich die Vorteile und Nachteile dieser staatlichen Lenkung. Ein Nachteil ist ja dass das Fiskalpolitik und die Zentralbank ja nicht unabhängig voneinander sind. Geld wird dauernden gedruckt, kommt in Umlauf und kann somit ihre Wertigkeit völlig verlieren. Ebenso wird ja nicht der private Sektor wirklich beachtet, sondern man geht davon aus dass sie mit jeglichen Eingriffen ausgehend von der funktionalen Finanzpolitik einverstanden sind. Doch was wenn sie nicht zahlen wollen? Wie kritisch kann ich denn Functional Finance sehen, sprich was sind die Kritikpunkte, und lässt es sich eigentlich in unsere heutige Wirtschaftspolitik implementieren?Vorteile sehe ich nicht unbedingt.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. "Ein Nachteil ist ja dass das Fiskalpolitik und die Zentralbank ja nicht unabhängig voneinander sind."

      Das ist tatsächlich ein Vorteil, denn Geld- und Fiskalpolitik müssen optiam miteinender koordiniert werden um das beste Ergebnis zu erzielen und sollten nicht gegeneinander arbeiten. Wenn das nicvht geschieht ist das so als wenn man bei einem Auto mit dem einen Rad beschleunigt und mit dem anderen bremst.

      Löschen
    2. "Geld wird dauernden gedruckt, kommt in Umlauf und kann somit ihre Wertigkeit völlig verlieren." Nein! Geld wird vielleicht gedrckt, aber solange der Staat es nicht ausgiebt, bleibt es in der Druckerei, und der Staat gibt es nur aus, wenn die Beschäftigung zu niedrig ist (die NAIRU noch nicht erreicht ist). Wenn Inflation auftritt, muß der Staat durch Steuererhöhungen (oder auch durch Verringerung seiner Ausgaben) der Wirtschaft Geld entziehen und so die Konsumnachfrage drosseln, oder auch durch Zinserhöhungen die Investitionsnachfrage reduzieren.

      Ein Kerngedanke ist, dass die Steuern ausschließlich der Nachfragesteuerung dienen und im Prinzip nichts mit der Finanzierung der Staatsausgaben zu tun haben. Ein Zusammenhang zwischen Besteuerung und Staatsausgaben ergibt sich allein daraus, dass bei höheren Staatsausgaben die private Nachfrage stärker gedrosselt werden muß, dass also die höher ausfallen müssen.

      Löschen